#19 Das „vorerst“ ungeplante Ende unserer Weltreise. Moin Bremen!

30. März 2020 11 Von Tobi

Unsere Reisezeit: März 2020

Ich schreibe diesen Blogartikel während ich in meinem Arbeitszimmer in unserer Wohnung in Bremen sitze. Wir hatten eigentlich neun Monate Zeit zum Reisen. Wir wollten auf alle Kontinente – einmal um die Welt! So lange Richtung Westen reisen bis wir im Osten wieder ankommen. Das Ziel unserer Weltreise sollten die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sein – Karate hierbei erstmalig eine olympische Disziplin. Selbst der erste deutsche Karatesportler hatte sich vorzeitig für Olympia qualifiziert und wir Tickets erworben. Es schien alles perfekt zu sein und nun kam doch alles anders als gedacht.

In den letzten Wochen verfolgten wir dauerhaft das globale Thema Coronavirus. Im Nachhinein können wir sagen, das Thema verfolgte uns und hat uns dann doch eingeholt! Wir lasen einschlägige Informationen im Netz über die Heimat, über Europa und den Rest der Welt. Wir informierten uns auf Internetseiten in spanischer Sprache über die Lage vor Ort, an dem wir uns gerade aufhielten. Auf dem amerikanischen Kontinent hat sich der Virus deutlich verspätet verbreitet. Es schien fast so, als würden wir vielleicht verschont bleiben. Aber nur kurze Zeit nachdem wir ein Land verließen, meldeten die Länder erste Infektionsfälle. So erlebten wir es mit Panamá, Costa Rica und Guatemala. Wir wussten von den zahlreichen Flugausfällen und davon, dass Fluggesellschaften ihre Flugzeuge am Boden ließen. Wir wussten auch, dass immer mehr Länder ihre Grenzen schließen und Ausgehsperren verhängt haben. Wir befanden uns zuletzt auf der Yukatan Halbinsel in México im Bundesstaat Quintana Roo, immer noch in Playa del Carmen. In dem Bundesstaat gab es bis zu unserer Abreise nur einen einzigen bestätigten Coronafall. Und das obwohl dort wirklich viele Touristen aus den USA aber auch Europa ihren Urlaub verbrachten.

Die in México bis zu diesem Zeitpunkt überschaubare Coronasituation verleitete uns dazu abzuwarten. Janina und ich hatten einen möglichen Abbruch der Weltreise in Betracht gezogen. Wir waren uns aber einig das Thema intensiv zu verfolgen und täglich die Lage aufgrund aktueller Informationslagen neu zu bewerten. Eine mögliche Option wäre für uns gewesen in México zu bleiben und an einem „sicheren“ Plätzchen zu warten, bis sich die Welt wieder normalisiert hat. Kurzzeitig überlegten wir sogar, wir könnten uns in Australien zwei Wochen lang in Quarantäne begeben und danach hätten wir ja erst einmal Zeit gehabt noch zweieinhalb Monate diesen Kontinent ausführlichst zu bereisen. Alle Optionen standen für uns zu diesem Zeitpunkt offen. Dennoch konnten wir nicht einschätzen wie es werden würde, wenn in dem Land, in dem wir uns dann befinden werden der Ausnahmezustand erreicht sein wird und die medizinische Versorgung zusammenbricht. Wird die Lebensmittelversorgung aufrechterhalten und dürfen Ausländer sich überhaupt noch im Land bewegen und aufhalten? Im Nachhinein betrachtet waren unsere Überlegungen vielleicht etwas naiv. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch keinem klar, dass so viele Länder ihre Grenzen gänzlich schließen und der Flugverkehr vielerorts komplett eingestellt wird.

Und dann kam dieser eine Morgen, der für uns alles verändern sollte. Wir hatten sechs Stunden Zeitunterschied zu Deutschland und es wurde inzwischen für uns zu einem Ritual nach dem Aufstehen die Nachrichten im Internet zu checken. Das Auswärtige Amt (AA) gab nun eine weltweite Reisewarnung heraus. Dieser drastische Schritt kam in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zuvor noch kein einziges Mal vor. Normalerweise werden vereinzelt Reisewarnungen für Länder herausgegeben, die wie z.B. Syrien oder Afghanistan als völlig unsicher eingestuft werden. Nun wurden also alle Bundesbürger gewarnt überhaupt zu reisen.

Für uns hatte die weltweite Reisewarnung vor allem eine Konsequenz: Der für die Weltreise abgeschlossene Auslandskrankenversicherungsschutz würde 14 Tage nach Bekanntgabe dieser Reisewarnung enden. So stand es in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versicherers. Die Entscheidung über eine Rückkehr nach Deutschland wurde uns somit also abgenommen und es stand fest, dass wir schweren Herzens vorerst zurück nach Deutschland müssen. Ein Traum zerplatzte! Wir hatten so viel Zeit in die Vorbereitung dieser Reise investiert, haben viele andere Personen mit eingebunden. Wir wollten noch so viel sehen, so viel erleben. Und nun sollte das einfach so von jetzt auf gleich vorbei sein? Völlig benebelt und ohne zu wissen was wir da eigentlich gerade genau taten, buchten wir noch am selben Tag einen Flug mit der Lufthansa zurück nach Deutschland. Die nächsten Tage hofften wir dann, dass dieser Flug auch wirklich stattfinden wird. Einen Direktflug ab Cancun nach Deutschland konnten wir nicht mehr buchen. Wir mussten also über Chicago fliegen und von dort weiter nach Frankfurt. Das war die einzige Möglichkeit, die uns blieb. Da war sie wieder – die Einreise in die USA… Lassen sie uns rein? Wir registrierten uns zusätzlich bei einer von der Deutschen Bundesregierung beauftragten Airline für das Rückholprogramm von Urlaubern aus México, falls die Einreise nicht klappt oder unser Flug doch noch gestrichen wird.

Bis zu unserem Rückflug verstrichen noch ein paar wenige Tage, und wir haben die Zeit so gut wie es ging noch genossen. Wir waren am Strand, saßen in der Sonne und freuten uns über die warmen Temperaturen und haben versucht nicht zu sehr über die ganze Situation nachzudenken. Dennoch kam immer wieder etwas Wehmut in uns auf, nun sollte alles enden. Uns gingen in diesem Augenblick viele Gedanken durch den Kopf. Auf der ganzen Welt überschlugen sich zudem die Ereignisse. Wenigstens haben wir den Winter in Deutschland überbrückt.

Tschüß México!

Noch bevor wir das Land verließen, haben wir auf mexikanischen Internetseiten über die beabsichtigte Schließung von Bars, Restaurants und Geschäften im Bundesstaat Quintana Roo gelesen. Von heute auf morgen beobachteten wir zudem, dass die Atemschutzmaske ein Alltagsgegenstand in México wurde. Die Auswirkungen, die der Coronavirus in vielen Orten dieser Welt bereits mit sich brachte, und wir bisher nur aus den Medien kannten, folgten nun auch hier. Insofern waren wir beruhigt zurück nach Deutschland fliegen zu können. Wir hörten aus anderen Teilen Méxicos, dass Highways gesperrt werden. Wenn das in unserem Bundesstaat auch passieren sollte, würden wir nicht mehr zum Flughafen von Cancún kommen, der ungefähr 100 km entfernt von Playa del Carmen lag. Von daher beschlossen wir einen Tag eher nach Cancún zu reisen, um zum einen das Risiko einer Vollsperrung des Highways zu minimieren und zum anderen einen logistischen Vorteil für den Rückflug zu haben. Unser Flug nach Chicago sollte um 6:15 Uhr starten und so konnten wir in der Nacht vor Abflug wenigstens noch ein paar Stunden schlafen. Außerdem mussten wir noch zum Immigrationsschalter am Flughafen und unsere Einreisegebühr nachträglich zahlen. Das konnten wir somit in aller Ruhe einen Tag vor dem eigentlichen Abflug erledigen. Der administrative Vorgang war übrigens in wenigen Minuten erledigt und Janinas ursprünglich ungutes Gefühl „illegal“ im Land zu sein quasi unbegründet.  

Inzwischen hatte die Lufthansa einen dreitägigen Sonderflugplan veröffentlicht. Unser Flug von Chicago nach Frankfurt war glücklicherweise auf diesem Plan und wir hatten nun Gewissheit, dass zumindest unser Flug von Chicago aus starten würde. Voller Spannung und mitten in der Nacht fuhren wir dann am Tag unserer Abreise zum Flughafen von Cancún. Unser Flugzeug nach Chicago stand aber Gott sei Dank zum Boarden bereit. Uns lag ein genehmigtes ESTA-Visum für die Einreise in die USA vor. Ohne ein genehmigtes Visum können Touristen nicht in die USA einreisen. Wir hatten dieses Visum eigentlich beantragt, um in Kalifornien unseren Roadtrip von San Francisco bis Los Angeles zu machen.

Aufgrund der Coronasituation gab es für die Einreise in die USA nun aber ja die Einschränkung für alle Reisende, die in den letzten 14 Tagen im Schengenraum unterwegs waren. Das traf auf uns zwar nicht zu, weil wir seit vier Monaten außerhalb Europas unterwegs waren, aber wir wussten nicht wie das die Airline-Mitarbeiter sehen. Glücklicherweise war dann alles einfacher als erwartet, unser Pass wurde nicht einmal richtig kontrolliert und wir wurden hierzu nur mündlich befragt. Auch die Einreise am Flughafen in Chicago war zu unserer Überraschung kein Problem. Die Abfertigung ging äußerst schnell, keine Spur von Gesundheitstests und langen Warteschlangen. Aufgrund des wenigen Flugverkehrs sind wir nach nur 15 Minuten in die USA eingereist. Glaubt man den Informationen im Internet, dauert so eine Einreise aufgrund der Wartezeit im Normalfall zwei bis drei Stunden.

Tobi zurück an alter Wirkungsstätte

Für mich stellte die Einreise am O‘Hare Flughafen von Chicago ein besonderes Ereignis dar. Vor exakt 20 Jahren habe ich an diesem Flughafen bei der Lufthansa Cargo ein halbjähriges Auslandspraktikum absolviert. Seit 2000 war ich nicht mehr an diesem Ort. Das Leben hält immer neue Überraschungen bereit. Das war ein besonderer Augenblick für mich, aber unter diesen Bedingungen hierher zu kommen löste gleichzeitig Glück und Traurigkeit in mir aus. Chicago O’Hare gehört noch immer zu den größten Flughäfen der Welt. Er hatte schon vor 20 Jahren sechs Start- und Landebahnen und das Flughafengelände ist riesig. Wir hatten für die Einreise in die USA extra genügend Zeit eingeplant, der Weiterflug nach Frankfurt sollte somit erst sieben Stunden später gehen. Zu unserer großen Überraschung hatten alle Geschäfte und Restaurants am Flughafen geschlossen. Dieser sonst so quirlig frequentierte Flughafen wirkte an diesem Tag wie ausgestorben. Natürlich fanden auch hier fast keine Flüge mehr statt. In Chicago herrschte zudem Ausgangssperre. Nicht einmal ein Bäcker hatte am Flughafen geöffnet und wir hatten mächtig Hunger, weil wir auf unserem ersten Flug kein Frühstück bekommen haben und wir den ganzen Tag bis dahin noch nichts gegessen hatten. Wir erhielten den Tipp, dass wir zum Flughafen gegenüberliegenden Hilton Hotel gehen können, dort würde es eine Kaffeebar geben. Wir sind also mit unserem kompletten Gepäck durch die Kälte ins Hilton Hotel gestiefelt und kauften für überteuerte 15 US$ zwei Sandwiches. Irgendetwas mussten wir schließlich essen bis der Lufthansa Schalter in vier Stunden öffnete.      

Der menschenleere Chicago O’Hare Flughafen

Nachdem wir bei der Lufthansa unser Gepäck erneut eingecheckt hatten (dieses Prozedere ist seit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 in den USA unumgänglich), durften wir voller Hoffnung auf geöffnete Läden in den Sicherheitsbereich des Flughafens. Aber auch hier war alles geschlossen. Das einzige geöffnete Geschäft war ein McDonalds. Wir wurden also gezwungen uns von Fastfood zu ernähren, da uns die Zeitspanne bis wir im Flugzeug etwas zu Essen erhalten würden zu lang erschien.

Am späten Nachmittag fand dann das Boarding statt und die Boing 747-8 hob wenig später Richtung Frankfurt ab. Viele Passagiere an Bord sahen traurig aus. Viele konnten ähnliche Geschichten erzählen wie wir. Einige der Passagiere trugen Atemschutzmasken. Es kam eine Durchsage, dass in allen Buchungsklassen nur ein eingeschränkter Service angeboten wird. Wir stellten uns darunter vor, dass wir vielleicht die Getränke selbst in der Boardküche abholen müssen, um damit den engen Kontakt des Flugpersonals zu minimieren. Tatsächlich hat die Lufthansa aber mit „eingeschränktem Service“ eine erheblich reduzierte Leistung der Speise- und Getränkeverpflegung gemeint. Wir erhielten eine 1,5 Liter-Flasche Wasser für den gesamten Flug. Jeder der schon einmal Langstrecke und nachts geflogen ist weiß, dass so eine Flasche nicht am Platz gelagert werden kann, ohne dass diese quer durch die Kabine rollt. Auf Nachfrage, ob wir zum Essen vielleicht ein anderes Getränk in der Boardküche abholen dürfen, wurde das entschieden verneint. Die Ausgabe des Essens (es gab keine Wahlmöglichkeit) erfolgte unter Benutzung von FFP2-Atemschutzmasken. Das ist zwar als Schutz für das Personal verständlich und nachvollziehbar, dennoch war dies ein seltsames ungewohntes Bild für uns. Wir hatten den Eindruck, dass der eingeschränkte Service jedenfalls weniger direkt mit den Schutzmaßnahmen für das Personal zu tun hatte, sondern viel mehr mit einer Kostenreduzierung in dieser für die Airline schweren Zeit. 

In Frankfurt angekommen machten wir uns gleich auf den Weg zum Fernbahnhof. Am Flughafen selbst fanden zu unserer Überraschung ebenfalls keine Gesundheitsüberprüfung der Fluggäste statt. Es gab auch keine Hinweise, wie man sich nach einem Langstreckenflug am besten verhalten sollte. Die Geschäfte waren wie in Chicago geschlossen, aber die Bäcker und einige wenige Essensstände hatten geöffnet. Verhungern mussten wir also nicht. Für die Fahrt nach Bremen suchten wir uns extra einen Zug aus, der nicht über Nordrhein-Westfalen fuhr. Hier sollten zu diesem Zeitpunkt die meisten Coronafälle in Deutschland vorkommen. Wir hatten natürlich ein ungutes Gefühl, waren nun auf drei Flughäfen, in zwei vollen Flugzeugen und jetzt sollten wir auch noch mit dem Zug quer durch Deutschland fahren. Im ICE nach Hannover (dort mussten wir umsteigen) kaperten wir uns ein Sechser-Abteil, stellten die großen Rucksäcke auf die Sitze und desinfizierten erst einmal alle Griffe und Oberflächen. Der Zug war leer und nur wenige Menschen waren unterwegs. In Hannover wurde unser Anschluss-ICE gestrichen und wir haben dann schnell entschieden einen Regional-Express zu nehmen, der nur wenige Minuten später losfuhr. Auch dieser Zug war leer und wir hatten einen ganzen Wagon für uns alleine. Völlig übermüdet erreichten wir dann am späten Mittag unsere Heimat Bremen. Weil wir aufgrund des Nachtfluges nun die zweite Nacht hintereinander kaum Schlaf bekommen haben, waren wir froh nach rund 28 Stunden Reisezeit endlich zu Hause zu sein. Wir haben uns aufgrund des theoretischen Risikos einer Ansteckung bei der Rückreise entschieden, uns eine Selbstisolation für 14 Tage zu verordnen und zu Hause zu bleiben.

Wilkommen zurück, Willkommen bei der Deutschen Bahn!

Als wir am nächsten Morgen in unserem Schlafzimmer aufwachten, hatten wir beim ersten Augenöffnen beide denselben Gedanken: Unser Schlafzimmer – das muss ein Traum sein! Leider war es das nicht. Das war sehr surreal für uns. Wir waren vier Monate und vier Tage unterwegs und haben dabei 11 Länder bereist. Zeitlich betrachtet haben wir nicht ganz die Hälfte unserer Weltreise geschafft. Sehr wohl aber nach Anzahl der Staaten, denn wir hatten beabsichtigt 22 Länder zu bereisen. Nun lagen wir also in unserem Bett und dachten darüber nach, wann wir denn wohl den zweiten Teil unserer Weltreise starten können.

Das Abenteuer Weltreise geht auf jeden Fall weiter! Ihr fragt euch wann das sein wird? Wir auch! Fragt ihr euch wohin es gehen wird? Lasst euch überraschen. Natürlich schreiben wir unseren Blog weiter, sobald wir das Abenteuer fortführen. Seid gespannt!

Bleibt gesund und bis bald auf www.moinreise.de 😊

To be continued …