#7 Weihnachten in Brasilien: São Paulo
Unsere Reisezeit: Dezember 2019
São Paulo ist das Flugverbindungsdrehkreuz in Südamerika. Eigentlich stand Brasilien dieses Mal nicht auf unserer Reiseliste. Aber da der Weg sowieso nur hierüber ging, beschlossen wir einen Stopover einzubauen und wollten Weihnachten in Brasilien verbringen. Zuerst überlegten wir für die Feiertage in das 120 km entfernte Santos direkt am Atlantischen Ozean zu fahren. Santos soll schön sein, wurde uns gesagt. Über das Internet konnten wir herausfinden, dass die Strände von Santos überlaufen von Menschen (gerade über die Feiertage) und die Straßen voll mit Hochhäusern sind. Nicht ganz unser „Gusto“… Wir mögen Strandaufenthalte an fast menschenleeren Naturstränden im besten Fall mit einer kleinen Strandhütte mit Blick auf das Meer. So oder ähnlich haben wir schon einige schöne Tage an den schönsten Stränden der Welt verbracht. Weihnachten wollten wir so nun nicht in Santos verbringen und beschlossen in São Paulo zu bleiben und uns eine kleine feine Wohnung zu mieten.

Am 15-stöckingen Hochhaus mit dem Uber-Taxi angekommen mussten wir uns beim Security-Mitarbeiter anmelden. Der hat uns erst einmal gar nicht verstanden, weil er kein Englisch konnte. Irgendwie sind wir dann ins Gebäude gekommen, auch ohne unseren Fingerabdruck zu hinterlegen. Das Zugangssystem per Fingerabdruck wird in dem Wohngebäude genutzt, um in das Gebäude, in den Fahrstuhl, Wasch- oder Fitnessraum zu gelangen. Für unsere Wohnung gab es zudem einen vierstelligen elektronischen Code. Mechanische Schlüssel haben hier ausgedient. Mit brasilianischer Unterstützung unserer AirBnB-Vermietungsfirma haben wir am nächsten Tag auch erfolgreich unsere Fingerabdrücke hinterlegen können. Wir wurden etwas nachdenklich, „was würde wohl mit unseren Fingerabdrücken passieren“? Datenschutz? Fehlanzeige! Wir wunderten uns auch in einer Drogerie, weshalb wir nach unserer ID-Card gefragt wurden, weil wir ein Deodorant kaufen wollten. Wir fragten die Verkäuferin, weshalb sie diese benötigt. Die Antwort, sogar in englischer Sprache war, es würde etwas schwierig sein dies zu erklären. Ein Payback-System wie bei uns scheint es jedenfalls nicht zu sein. Datenschutz? Fehlanzeige! 🙂

Wir hörten vorher viel über die nicht vorhandene Sicherheit in Brasilien und explizit über São Paulo. „Passt ja auf in den Straßen“, „seit besonders vorsichtig“, „geht nachts nicht auf die Straße“ und „fahrt auch kurze Strecken immer mit dem Uber“… so oder so ähnlich wurde es uns gesagt und so steht es ebenfalls im Internet und auch auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Wenn selbst südamerikanische Arbeitskollegen aus Brasilien und Kolumbien vor dieser Stadt warnen, bekommt man ein ungutes Gefühl. Um es vorweg zu nehmen, glücklicherweise ist uns nichts passiert.
Unser erster Eindruck: São Paulo ist riesig, Häuser soweit das Auge reicht, und zudem nicht günstig. Angekommen am Flughafen dachten wir noch, ok das sind Flughafenpreise. Für einen Hamburger und zwei Portionen Pommes umgerechnet 9 €. Am nächsten Tag im Supermarkt haben wir aber auch rund 70 € ausgegeben. Gut, es war ein Bio-Supermarkt, aber auch der ganze normale Supermarkt ein Stück weiter war nicht wesentlich günstiger. Wie können es sich eigentlich Einheimische leisten? Das Nettodurchschnittseinkommen der Brasilianer wird wohl kaum höher liegen als bei uns in Deutschland.
Nach und nach bemerkten wir, dass wir richtige Probleme haben uns in dieser Stadt zu verständigen. Die allerwenigsten Personen sind in der Lage auf Englisch zu kommunizieren. Ob im Supermarkt, Uber-Taxi, Restaurant, Café, Touristen-Zentrale (!), Touri-Bus oder mit Passanten, um nach dem Weg zu fragen, wir wurden stets wie Außerirdische angeguckt, wenn wir sie etwas auf Englisch fragten. Wir kamen dann manchmal mit unseren Spanischkenntnissen weiter, aber haben dann wiederum die portugiesische Antwort nicht verstanden. Sogar Flughafendurchsagen am internationalen Airport waren rein auf Portugiesisch. Wir fanden heraus, dass nur sehr gut gebildete Menschen der Oberschicht Englisch lernen. Klar, als das sechst größte Land der Welt (mit über 200 Millionen Einwohnern) braucht man natürlich nur Portugiesisch. Die sprachlichen Probleme haben wir so hier nicht erwartet und hätten eigentlich unser Zeige-Wörterbuch mit Bildern gebraucht, das uns aber erst später in einem Paket erreichen wird, wenn wir Richtung Asien reisen.
Am 24. Dezember wollten wir in einer typischen brasilianischen Churascería zu Weihnachten essen gehen. Bei uns in Deutschland wird hierfür der Begriff Rodizio verwendet. Direkt am Tisch werden Fleischspieße serviert und jeder kann so viel Essen bis er platzt. Also versuchten wir ein Lokal zu finden und einen Tisch zu reservieren. Da Heiligabend war, dachten wir es würde besser sein, wenn wir einen Tisch reservieren. Das dachten sich wohl auch die 12,5 Millionen Einwohner São Paulos. Nach zahlreichen telefonischen Anfragen und drei Stunden später am Nachmittag haben wir aufgegeben. Entweder waren die Läden ausgebucht oder sie haben uns am Telefon nicht verstanden – manchmal auch beides. Also haben wir beschlossen unser Weihnachtsessen am 26. Dezember nachzuholen und uns selbst ein Weihnachtsessen mit einer Flasche Rotwein zuzubereiten. Wir beobachteten also von unserem Balkon die zahlreichen Partys auf den anderen Balkonen der Hochhäuser und die lautstarken Chinaböller auf den Straßen – ab 24 Uhr noch verstärkter. So sieht also Weihnachten in Brasilien aus: Hier wird gefeiert, getrunken und geknallt.

Am nächsten Morgen waren die Straßen ausgestorben so wie bei uns am Neujahrstag. Wir machten uns auf den Weg zur Stadtrundfahrt mit einem HopOn-HopOff Bus. São Paulo ist sehr groß und wie vorher bereits erwähnt nicht überall sicher. Daher haben wir uns für diesen Bus entschieden und der Treffpunkt lag in der Innenstadt. Da Feiertag war, war die Innenstadt ziemlich ausgestorben. São Paulo Downtown ist keine „gute Adresse“, es wird davor gewarnt außerhalb der Öffnungszeiten von Geschäften in dieses Viertel zu gehen. Wir nahmen nur das Nötigste mit und waren sehr über die zahlreichen Obdachlosen schockiert, die nicht einmal über ein T-Shirt oder Schuhe verfügten. Wie war das noch mal mit den teuren Preisen? In Brasilien hat schon vor einer ganzen Zeit ein Wirtschaftswachstum eingesetzt. Viele Menschen können dem schnellen Wachstum nicht standhalten und müssen auf der Straße oder in einer Favela wohnen (Begriff für Armengegend in Südamerika). Die HopOn-HopOff Bustour hat bei uns keinen bleibenden Eindruck hinterlassen und da bei so einer Tour eigentlich immer das Bemerkenswerteste einer Stadt abgefahren wird, waren wir schon ein wenig enttäuscht von dieser Stadt.


Am zweiten Weihnachtstag haben wir unsere erste Free-Walking Tour unternommen. Free-Walking-Touren werden an viele Orte dieser Erde angeboten und wir wollten dies schon lange einmal ausprobieren. Das sind Stadtführungen an denen jeder kostenlos teilnehmen kann. Anmeldungen gibt es nicht, man kommt einfach zu dem Treffpunkt zu der im Internet oder Reiseführer bekanntgegebenen Uhrzeit. Die Guides leben von dem Trinkgeld, welches die Teilnehmer ihnen nach der Tour geben. Jeder gibt das, was er meint und was er zahlen kann. Ein tolles System, wie wir finden. Unser Guide konnte perfekt Englisch und führte uns durch das Szeneviertel der Stadt „Vila Madalena & Pinheiros“ in dem wir auch wohnten. Mit der Walking Tour haben wir noch einmal ein anderes Bild von São Paulo bekommen. Zum ersten Mal empfanden wir diesen Teil der Stadt sogar als schön, interessant und lebenswert mit den künstlerischen Graffitis, Restaurants und Bars inmitten der Straßen mit den vielen Hochhäusern.








Ein bedrückendes Gefühl verfolgte uns aber die ganze Zeit während wir in Südafrika und São Paulo in Brasilien unterwegs waren – wir kennen es auch schon von vergangenen Reisen in Südamerika und Afrika: Im Vergleich zu Deutschland/Europa kann man sich in bestimmten Ländern der Erde nicht zu jeder Zeit frei bewegen. Zu Fuß nachts auf der Straße nach Hause gehen – davon wird dringend abgeraten. Egal wie „gut“ die Wohngegend ist, in der man sich aufhält. Kurze Strecken werden immer mit dem Auto gefahren. Einen Pullover oder Rucksack sichtbar im Auto liegen lassen, auch bei einem kurzen Stop am Supermarkt: undenkbar! Nachts sollte auch nicht an rote Ampeln angehalten werden. Die Wohnhäuser sind oft mit hohen Mauern und Stachel- oder Natodraht gesichert, zusätzlich gibt es Alarmanlagen und/oder Wachhunde. Auf unseren Reisen lernen wir die Freiheit unserer Heimat immer mehr zu schätzen. Sicher, auch in Deutschland gibt es Einbrüche und Taschendiebe. Nachts an einer roten Ampel mal nicht zu halten, ruft bei uns aber eher die Polizei auf den Plan, als dass ich mir Sorgen über einen bewaffneten Raubüberfall, eine Entführung oder Carjacking machen müsste. Für umgerechnet nur wenige Euro wurden auch schon Menschen ermordet. Diese Qualität der Kriminalität ist in Europa weitestgehend unbekannt. Das ist auch gut so! Für uns ist es keine Freiheit hinter Mauern zu leben und sich mehrfach einschließen zu müssen, während vor der Tür die Armut herrscht. Freiheit – so wie es in unserem Grundgesetz verankert ist – gibt es in vielen Teilen der Welt definitiv nicht!

Free-Walking-Touren sind überall was Feines. Weiter viel Spaß.
Hallo,
ich freue mich über jede Meldung von Euch und bin auch jedesmal etwas neidisch :).
Ich wünsche Euch weiterhin eine tolle Zeit und kommt am Ende zufrieden wieder.
Liebe Grüße
Marc